In einem Palermo, das von barocken Kuppeln, arabischen Bögen und normannischen Fassaden geprägt ist, erscheint die Villa Whitaker – besser bekannt als Villa Malfitano – wie ein zurückhaltendes Juwel aus einer vergangenen Zeit. Sie liegt am Rande der ehemaligen Piana dei Colli, am Fuße des Monte Pellegrino, eingebettet in ein Viertel, das einst von adeligen Villen und Zitrusgärten durchzogen war. Diese Residenz erzählt von einer Epoche, in der Palermo kosmopolitisch, aristokratisch und intellektuell lebendig war.
Joseph Whitaker, Erbe einer einflussreichen anglo-sizilianischen Familie, ließ die Villa 1886 errichten. Die Whitakers hatten ihr Vermögen mit Marsala-Wein gemacht, doch Joseph interessierte sich weniger für das Geschäft als für Ornithologie, Archäologie und Botanik. Er war ein Gelehrter und Weltreisender, der einen Ort schaffen wollte, der seine Persönlichkeit widerspiegelte: kultiviert, offen, neugierig. Die architektonische Leitung übernahm Ignazio Greco, der eine Villa im neorenaissance Stil entwarf, deren Innenräume jedoch dem Geschmack eines Weltbürgers entsprachen – mit Stuckdecken, exotischen Stoffen, Wandteppichen, geschnitztem Holz und bemalten Decken.
Wer heute durch das Eingangstor schreitet, betritt einen Ort, der sich kaum verändert hat: Die Salons sind erhalten, die Bibliothek bewahrt seltene Bände, und in jedem Raum spürt man die Eleganz und das internationale Flair der Belle Époque. Die Villa war nicht nur Wohnhaus, sondern auch Treffpunkt für Intellektuelle, Diplomaten, Künstler und Wissenschaftler aus ganz Europa.
Der wahre Schatz der Villa ist jedoch ihr Garten. Über sieben Hektar erstreckt sich ein englischer Landschaftspark, den Whitaker mit botanischer Präzision anlegte. Hier wachsen Pflanzen aus aller Welt: Riesenbambus, Palmen aus Kuba, australische Eukalyptusbäume, Kakteen aus Mexiko und monumentale Gummibäume aus Südostasien. Es ist ein stilles, lebendiges Herbarium, das den Spaziergänger einlädt, zwischen Düften, Schatten und Erinnerungen zu wandeln.
Nach dem Tod des Ehepaars Whitaker fiel die Villa in einen Dornröschenschlaf, wurde aber schließlich von der Fondazione Whitaker übernommen, die sie heute betreibt. Sie ist nicht durchgehend geöffnet, sondern im Rahmen kultureller Veranstaltungen, Führungen oder nach Voranmeldung zugänglich. Die Einrichtung ist original erhalten, viele persönliche Gegenstände von Joseph sind ausgestellt, ebenso Dokumente und Objekte seiner ornithologischen Forschung, die ihn bis nach Tunesien, Pantelleria und Marettimo führte.
Die Villa befindet sich in der Via Dante 167, wenige Gehminuten vom Zentrum entfernt, und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Obwohl sie in kaum einem Reiseführer als Hauptattraktion auftaucht, gehört sie zu den eindrucksvollsten Orten Palermos – ein Geheimtipp für Reisende, die die Stadt auf einer tieferen, leiseren Ebene entdecken möchten.
Ein Besuch der Villa Malfitano ist mehr als ein Spaziergang durch Geschichte. Es ist ein Eintauchen in eine vergangene Welt, in der Schönheit, Wissenschaft und Weltgewandtheit miteinander verschmolzen. Zwischen den alten Bäumen, den salbungsvollen Möbeln und den Erinnerungen an eine Epoche des offenen Geistes offenbart sich ein Palermo, das leise spricht, aber lange nachhallt.